Somatic Inner Parts: Systematik & Praxis – Innere Anteile nach dem Retreat verstehen und integrieren
Retreats bringen uns oft mit neuen Seiten von uns selbst in Kontakt – aber auch mit alten Mustern, ungewohnten Gefühlen oder inneren Konflikten. Besonders nach der Rückkehr in den Alltag melden sich manchmal innere Stimmen oder Empfindungen, die uns herausfordern. Die Arbeit mit den Somatic Inner Parts hilft dir, diese Anteile liebevoll zu erkennen, zu verstehen und zu integrieren – für echte, nachhaltige Veränderung.
Was sind Somatic Inner Parts? Wissenschaftlicher Hintergrund & Systematik
Der Ansatz stammt aus dem Internal Family Systems Model (IFS, Richard C. Schwartz, ab 1990) und wird durch somatische Methoden wie Somatic Experiencing (Peter Levine) und Embodiment (Daniel Siegel) ergänzt.
Unsere Persönlichkeit besteht aus verschiedenen „Parts“ (Anteilen), die jeweils eigene Bedürfnisse, Strategien und Gefühle haben – und sich besonders durch den Körper ausdrücken.
Die drei Hauptgruppen der Inneren Anteile (IFS):
Manager: Kontrollieren, planen, kritisieren, sorgen für Leistung und Anpassung. Typische Glaubenssätze: „Sei perfekt!“, „Streng dich an!“, „Mach es allen recht!“
Firefighter: Reagieren impulsiv, lenken ab, schützen vor Schmerz (z.B. durch Ablenkung, Aktionismus, Essen, Social Media).
Exiles: Verletzte, oft verdrängte Anteile, die alte emotionale Wunden tragen (z.B. Traurigkeit, Scham, Angst, Gefühl von „nicht genug“).
Die fünf inneren Antreiber (nach Kahler/Satir/Schulz von Thun):
Sei stark!
Sei perfekt!
Beeil dich!
Mach es allen recht!
Streng dich an!
Diese Antreiber sind häufig die „Stimme“ der Manager und werden nach Retreats oft besonders spürbar. Sie können Integration erschweren, aber auch als Kompass für innere Entwicklung dienen.
Typische Erfahrungen und Gefühle nach einem Retreat
Nach einem Retreat können sehr unterschiedliche Gefühle und innere Bewegungen auftreten – von Euphorie und Dankbarkeit über Unsicherheit bis zu Frustration oder Selbstzweifeln. Entscheidend ist, wie du mit diesen inneren Bewegungen umgehst und was du daraus für dich lernst.
Systematik in der Praxis: Drei typische Anwendungsfälle
Praxisfall 1: Nach dem Retreat taucht Enttäuschung auf
Du kommst nach Hause, hattest große Erwartungen an das Retreat – vielleicht auf eine bahnbrechende Erkenntnis, ein bestimmtes Gefühl oder eine bestimmte Entwicklung. Stattdessen spürst du Enttäuschung oder Frust.
Was passiert hier auf der Ebene der Parts?
Manager: Dein innerer Perfektionist oder Antreiber hatte ein klares Bild davon, wie das Retreat sein sollte. Er wollte Kontrolle und Sicherheit, vielleicht auch Anerkennung.
Firefighter: Sobald Enttäuschung schmerzhaft wird, versucht ein anderer Anteil dich abzulenken – vielleicht durch Social Media, Essen oder Aktionismus.
Exile: Im Hintergrund meldet sich ein verletzter Anteil, der traurig ist oder sich nicht gesehen fühlt.
Warum ist das ein wertvoller Lernmoment?
Enttäuschung entsteht oft, wenn wir Erwartungen sehr detailreich ausmalen, sie aber nicht kommunizieren oder uns nicht über unsere eigentlichen Bedürfnisse klar werden. Wenn diese Erwartungen dann nicht erfüllt werden, fühlen wir uns verletzt oder übergangen – obwohl unser Gegenüber (oder das Retreat) davon gar nichts wusste.
An diesem Punkt kannst du lernen, wie wichtig es ist, eigene Bedürfnisse zu reflektieren, Erwartungen zu kommunizieren und mit mehr Achtsamkeit ins Leben zu gehen. Das reduziert nicht nur künftige Enttäuschungen, sondern stärkt auch deine Selbstverantwortung und Kommunikationsfähigkeit.
Übung:
Mache einen Körperscan: Wo im Körper spürst du die Enttäuschung?
Schreibe einen inneren Dialog: Was hat sich dein Manager erhofft? Was wollte der Firefighter vermeiden? Was braucht der Exile in diesem Moment?
Reflektiere: Welche Erwartungen hattest du? Waren sie ausgesprochen? Welche Bedürfnisse stecken dahinter – und wie könntest du sie künftig klarer kommunizieren?
Praxisfall 2: Überforderung im Alltag nach dem Retreat
Du möchtest nach dem Retreat alles umsetzen, was du gelernt hast, und setzt dich selbst damit unter Druck. Schnell fühlst du dich überfordert und vielleicht sogar blockiert.
Was passiert bei den Parts?
Manager: „Du musst jetzt alles richtig machen, sonst war das Retreat umsonst!“ Typische Antreiber: „Beeil dich!“, „Streng dich an!“
Firefighter: „Wenn das zu viel wird, lass uns einfach alles hinschmeißen oder uns ablenken.“
Exile: Ein verletzter Anteil erinnert sich an alte Situationen, in denen du dich überfordert oder hilflos gefühlt hast.
Was kannst du daraus lernen?
Überforderung zeigt, dass du zu hohe Ansprüche an dich stellst und zu wenig auf deine tatsächlichen Kapazitäten achtest. Es ist hilfreich, kleine Schritte zu wählen, dir Pausen zu erlauben und mit deinen Parts zu verhandeln, was wirklich machbar ist. So lernst du, liebevoller mit dir umzugehen und nachhaltige Veränderungen zu ermöglichen.
Übung:
Körperscan: Wo sitzt die Überforderung? Wie fühlt sie sich an?
Frage deine Parts: Was wäre heute ein liebevoller, machbarer Schritt?
Erlaube dir, nicht perfekt zu sein, und feiere kleine Fortschritte.
Praxisfall 3: Rückfall in alte Muster
Nach dem Retreat stellst du fest, dass du wieder in alte Gewohnheiten zurückfällst – z.B. dich zu sehr anpasst, dich zurückziehst oder dich selbst kritisierst.
Wie wirken die Parts hier zusammen?
Manager: „Du solltest jetzt anders sein! Du hast nichts gelernt!“
Firefighter: „Komm, wir lenken uns ab, dann merken wir nicht, dass wir versagt haben.“
Exile: Ein tiefer Anteil fühlt sich wieder klein, traurig oder beschämt.
Was steckt dahinter und was kannst du lernen?
Rückfälle sind ein normaler Teil jeder Veränderung. Sie zeigen, dass alte Muster oft Schutzstrategien sind. Wenn du sie erkennst und mit deinen Parts ins Gespräch gehst, kannst du herausfinden, welche Bedürfnisse sich dahinter verbergen – und neue, gesündere Wege finden, damit umzugehen.
Übung:
Körperscan: Wo spürst du das „Zurückfallen“?
Sprich mit deinem kritischen Anteil: Was befürchtet er? Was würde er brauchen, um sich sicherer zu fühlen?
Führe ein kleines Loslass-Ritual durch, um dich von alten Mustern zu verabschieden und dich für neue Wege zu öffnen.
Fazit: Systematik als Schlüssel für nachhaltige Integration
Die Arbeit mit deinen Somatic Inner Parts ist ein kraftvoller Ansatz, um nach einem Retreat mit allen Facetten deiner Persönlichkeit in Kontakt zu kommen. Gerade herausfordernde Gefühle wie Enttäuschung, Überforderung oder Rückfälle sind wertvolle Lernmomente – sie helfen dir, Erwartungen bewusster zu reflektieren, Bedürfnisse klarer zu kommunizieren und liebevoller mit dir selbst umzugehen.
Mit gezielten Übungen, achtsamer Selbstbegegnung und der Integration deiner Parts kannst du die Erfahrungen aus dem Retreat wirklich in dein Leben holen – und nachhaltig wachsen.
Wenn du dabei Unterstützung möchtest, begleite ich dich gerne im Integrationscoaching bei Luna Spaces.